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Die Künstlerin Maroia Gsell ist eine Sucherin, die sich auf leisen Sohlen durchs Leben bewegt und doch so beglückende, wunderschöne Spuren hinterlässt, egal welche Wege sie mit ihrem stets wachen und entdeckungsfreudigen Blick beschreitet. Ganz besonders eindrucksvoll und berührend sind die Spuren, die sie mit ihrer Foto-Kamera entstehen lässt. Ich bin immer wieder fasziniert, wie sie kleinste Details, Nuancen und Stimmungen in der Natur entdeckt und so mit ihrer Kamera einfängt, dass mir beim Betrachten fast der Atem stehen bleibt. Wo andere achtlos vorübergehen, hält sie intuitiv inne und bringt mit einem gezielten Klick eine  besonders schöne, außergewöhnliche Facette von Mutter Erde ins Bild. Ein kleines, zunächst unscheinbares Detail, das plötzlich in seiner ganzen Pracht Gestalt annimmt.

 

Als wollte es den Menschen zurufen: «Warum geht ihr so blind durch die Welt? Warum rennt und hastet ihr, ohne nach rechts oder links zu schauen, auf ein Ziel zu, das Euch oft noch nicht einmal wirklich am Herzen liegt? Es gibt am Wegesrand so viel zu entdecken, zu erleben, zu erfahren, wenn ihr euch nur mit Achtsamkeit und offenem Herzen einlässt auf die kleinen und großen Wunder, die wir auf Schritt und Tritt für Euch bereit halten».

 

Einblicke in ihr Leben und ihr Wirken mit der Kamera schenkt uns
Maroia Gsell im nachfolgenden Interview:   



Was hat Dich motiviert auf Deine besondere Art zu fotografieren?

Schon immer war ich ein staunender Bewunderer der Schöpfung, wollte gern festhalten, was vergänglich ist, was nie mehr so sein würde. Früher waren es vor allem Kinder, die mich faszinierten, Kinder in ihrer ureigenen Art, die Welt zu entdecken. Es waren vor allem die Kinder meines Bruders und meiner beiden Schwestern. Ich war quasi die Hoffotografin der Familie. Heute haben diese Kinder die 40 überschritten und wir sind dankbar, dass es diese Dokumente gibt.


Was hat Dich dazu gebracht, Dich mit Deiner Kamera so tief auf die Natur einzulassen?

Die erste Digitalkamera, die ich 2002 kaufte, hat mir, vor allem für die Natur, die Augen nochmals weit geöffnet. Die Natur war für mich schon immer lebensnotwendig. Ohne meinen geliebten Wald müsste ich, glaub ich, ersticken. Ich denke, die Bäume auf meinen täglichen Spaziergängen kennen mich, nie würden sie es zulassen, dass mir etwas passiert, auch wenn es manchmal schon eindunkelt, wenn ich den Heimweg antrete.



Wo findest Du Deine Motive?Interview4Interview3Ich spaziere und reise allein. Die Kamera ist mein Begleiter. Sie ist es, die mich auf all dieSchönheiten der Natur aufmerksam macht. Sie ruft mir zu: Schau da! Schau da! Ich liebe vor allem auch die verborgene, von den meisten Menschen nicht beachtete Schönheit von verblühten Blumen (Samenständen), von Baumpilzen, Flechten, vermoderndem Holz, Borkenkäfermustern. Obwohl ich gute Augen habe, sehe ich oft erst zu Hause auf dem Bildschirm meines Macs, was für ein Wunder ich eingefangen habe.



Interview6Es scheint so zu sein, als wenn die Natur wirklich mit Dir spricht?Interview5
J
a, das ist tatsächlich so. Ich wähle meine Motive eigentlich nicht, sie wählen mich. Sie rufen mich. Sie lassen mich auch mal hinfallen, damit ich z.B. einen Baumpilz von unten sehe. So war es einmal, als ich im Gehölz gestolpert bin und fast hingefallen wäre. Ich konnte mich wieder auffangen, aber kurz darauf bin ich dann doch gestürzt, und da sah ich diese wunderschöne, spitzenartige Unterseite einer kleinen Kolonie von Baumpilzen. Es war, als hätten die Pilze nicht locker lassen wollen, bis ich fiel, und deshalb erst ihre Schönheit entdecken konnte. Oder weshalb wechsle ich plötzlich die Wegseite, um dann gerade da dieses spezielle Gesicht in der Baumrinde zu entdecken? Hat es mich gerufen?


Wer sind Deine liebsten Reisebegleiter?

Natürlich meine Kamera. Ich fotografiere, wie gesagt, mit einer gewöhnlichen, kleinen Digitalkamera. Es ist also nicht eine teure Spiegelreflexkamera, mit der ich der Natur ihre Geheimnisse entlocke. Ich fotografiere mit einer Nikon COOLPIX P5100. Ich arbeite ohne Stativ. So bin ich immer bereit für spontanes Handeln, fast als ob mein Auge selbst  den Auslöser in Gang setzt.
Auf meinen Reisen habe ich auch immer meinen Laptop dabei. Wenn andere am Abend mit dem Partner über den verflossenen Tag reden, schaue ich meine Bilder auf dem McBook an, sortiere sie aus, hinterlege sie mit Musik und schaue mir genüsslich eine kleine Dia-Show an, überglücklich nochmals mit den Wundern der Natur kommunizierend.


Wie siehst Du Dein Leben?

Ich denke, alles hat sich zu meinem Besten gefügt. Ich liebe die Freiheit über alles, bin gern allein unterwegs, und dies kann ich sein ohne jede Einschränkung. Immer wieder zieht es mich ans Meer, vor allem in den Norden. Ich liebe die Lebendigkeit von Ebbe und Flut, bin fasziniert von den vielfältigen Mustern, die bei Ebbe das zurückfliessende Wasser mit dem Sand, dem Licht, dem Wind bildet.


Das Meer scheint ein ganz besondere Bedeutung für Dich zu haben?
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Ich gehe gern barfuss im weichen Sand und lasse mich überraschen, was mir wohl das Meer heute wieder schenken wird, denn jedesmal, wenn ich am Meer war, hat es mir etwas ganz Besonderes geschenkt: einen wunderschönen, versteinerten Seeigel, einen faszinierenden Fischknochen, einen kugelrunden Stein, in dem sich etwas bewegt, wenn man ihn schüttelt. Oder eben besondere Schönheiten, Dinge, die man nicht mitnehmen, aber fotografieren kann.



Dein Lebensmotto?
Einer meiner Lieblingssätze ist der von Elisabeth Barrett Browning, denn ich denke,
ich ziehe meine Schuhe aus:


Earth is crammed with heaven
And every common bush afire with God:
But only he who sees takes off his shoes.
                (Elisabeth Barrett Browning)

meine Übersetzung:
Die Erde ist voller Himmel
und jeder Busch brennt vor lauter Gott
aber nur wer sieht, zieht seine Schuhe aus.
                (Elisabeth Barrett Browning)

 

Text und Interview: Eliza Nürnberger



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